Rückstellung von der Schulpflicht

17. Aug 2022

von Andreas Jakubietz
Rückstellung von der Schulpflicht

Manchmal gibt es gute Gründe, ein Kind ein Jahr später als üblich und gesetzlich vorgesehen einzuschulen. Schulrechtsanwalt Andreas Jakubietz erklärt, welche Aspekte maßgeblich sind.

Eine Zurückstellung von der Schulpflicht, genauer: von der Schulbesuchspflicht, ist nicht ohne Weiteres möglich. Denn die Rückstellung soll nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken die Ausnahme sein.

Was das Gesetz dazu sagt

Die Schulpflicht soll nur im Einzelfall zugunsten der effektiveren Förderung in einer Einrichtung der Jugendhilfe, also einer Kindertagesstätte, zurückgestellt werden, wenn

1. individuelle, in der Person des schulpflichtigen Kindes begründete Entwicklungsstörungen bzw. Entwicklungsdefizite der Schulpflicht (vorübergehend) entgegenstehen und

2. eine bessere Förderung in der besuchten Kita zu erwarten ist.

Das Verwaltungsgericht Berlin betont, dass die Schulanfangsphase gerade dem Erwerb bestimmter Grundfertigkeiten dient, ohne diese schon bei Eintritt in die Schule vorauszusetzen. Zudem bestünden innerhalb der Schule Möglichkeiten, etwaigen Kompetenzlücken der betroffenen Schülerinnen und Schüler durch besondere Fördermöglichkeiten gerecht zu werden. Dies zeige den Ausnahmecharakter der die Rückstellung regelnden Bestimmung des § 42 Abs. 3 Schulgesetz Berlin.

Verfahrensablauf

Bevor Eltern eine Rückstellung von der Schulpflicht in Betracht ziehen, sollte das Gespräch mit der betreuenden Kita gesucht werden. Diese stellt in ihrer Stellungnahme fest, ob sie die Rückstellung befürwortet oder nicht.

Diese Stellungnahme fügen die Eltern vor allem im Falle einer Befürwortung der Rückstellung ihrer Schulanmeldung bzw. ihrem Antrag auf Zurückstellung unter Verwendung des Formulars Schul II 109 bei. Die Schule leitet diese Anträge an den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) des zuständigen Bezirksamts mit der Bitte um schulärtzliche Untersuchung des Kindes weiter.

Eltern sollten sich die Empfehlung des KJGD erläutern lassen, damit sie wissen, ob die Zurückstellung von der Schulpflicht befürwortet wird.

Über den Antrag auf Rückstellung entscheidet das Schulaufsichtsamt auf der Grundlage der Stellungnahme der Kita, der Empfehlung der schulärztlichen Untersuchung und im Einzelfall, vor allem in Zweifelsfällen, auch der Beurteilung des Schulpsychologischen Dienstes. Eltern erhalten einen schriftlichen Bescheid über ihren Antrag auf Zurückstellung vom Schulbesuch.

Gegen einen ablehnenden Bescheid der regionalen Schulaufsicht, also einer obersten Landesbehörde, sind Widerspruchsverfahren nicht zulässig. Jedoch besteht die Möglichkeit, Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin zu erheben.

Letzteres kann angezeigt sein, wenn die Stellungnahmen bzw. Gutachten über ein Kind unterschiedlich ausfallen, etwa weil die untersuchende Schulärztin bzw. der Schularzt anderer Meinung ist als die Pädagogen der besuchten Kita. Ferner in Fällen, in denen die unterschiedlichen Beurteilungen in einem größeren zeitlichen Abstand zueinander erfolgten.

Andreas Jakubietz ist Rechtsanwalt in Berlin. Er ist als Fachanwalt für Verwaltungsrecht im Bereich Bildungsrecht, insbesondere auf dem Gebiet des Schulrechts und des Hochschulzulassungsrechts tätig. Der Jurist ist Vater einer Tochter und lebt in Zehlendorf.

Seine Beiträge sind als allgemeine Information zu verstehen, die eine Rechtsberatung nicht ersetzen. Im Einzelfall empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt für Schulrecht zu konsultieren.

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