25. Aug 2022
Alles auf Anfang kann eine Chance sein. Den Weg zur Klassenwiederholung in der Grundschule erklärt Schulrechtsanwalt Andreas Jakubietz aus juristischer Sicht.
Sitzenbleiben in der Grundschule ist im Schulgesetz nicht
vorgesehen, allenfalls ein um ein Schuljahr längeres „Verweilen“ in der
Schulanfangsphase. Manchmal halten Lehrkräfte und/oder Eltern es dennoch für
angebracht, einem Kind einen Neustart durch eine freiwillige Wiederholung zu
ermöglichen. Der Weg dorthin bedarf immer der Zustimmung der Eltern und ist klar
geregelt. Einen Anspruch auf Rücktritt gibt es nicht.
Die Schulanfangsphase umfasst
nach § 20 Abs. 3 des Schulgesetzes Berlin in Verbindung mit § 7 der
Grundschulverordnung mehrere Jahrgangsstufen. (1 und 2 oder 1 bis 3). Sie ist
als pädagogische Einheit gedacht, innerhalb derer ein Aufrücken entfällt.
Ungeachtet ihrer Organisation – jahrgangsübergreifend oder jahrgangshomogen –
ist sie nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken so konzipiert, dass die
Entscheidung über den Verbleib erst an deren Ende getroffen wird. Daher ist
erst am Ende der Schulanfangsphase (je nach Modell nach 2 oder 3 Schuljahren)
eine Wiederholung zulässig.
Auf Antrag oder mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten kann die Klassenkonferenz einer Schülerin oder einem Schüler insbesondere zum Ausgleich von erheblichen Unterrichtsausfällen die freiwillige Wiederholung einer Jahrgangsstufe oder spätestens am Ende des ersten Schulhalbjahres den Rücktritt in die vorherige Jahrgangsstufe gestatten. Die Entscheidung ist unter Beachtung des Lern- und Entwicklungsstandes des Kindes zu treffen (vgl. § 23 Abs. 4 Grundschulverordnung Berlin ).
Mit der Gesetzesformulierung „insbesondere“ hat der Gesetzgeber lediglich ein - typisches – Beispiel genannt, unter dem ein freiwilliges Wiederholen der Klasse gestattet werden kann. Sie verdeutlicht, dass auch andere Fälle denkbar sind. Etwa das Motiv der Eltern, die Klasse aufgrund von Defiziten in der Lernentwicklung und des Leistungsstandes ihres Kindes wiederholen zu lassen.
Es besteht grundsätzlich kein unmittelbarer Rechtsanspruch auf ein freiwilliges Wiederholen einer Klasse. Nach Abs. 4 des § 23 der Grundschulverordnung Berlin handelt es sich bei der Entscheidung über die Bewilligung einer freiwilligen Wiederholung um eine fachlich-pädagogische Ermessensentscheidung der Schule („kann“). Die der Entscheidung der Klassenkonferenz zugrundeliegenden Erwägungen müssen danach insbesondere sachgerecht, nachvollziehbar und unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen – rechtmäßig – abgewogen worden sein.
Spricht sich die Schule gegen ein Wiederholen der Klasse aus, so müssen betroffene Eltern und deren Kinder dies nicht hinnehmen. Sie haben das Recht, die ablehnende Entscheidung im Wege des Widerspruchs überprüfen zu lassen und/oder einen sogenannten Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin zu stellen.
Wie ein Antrag auf freiwilliges Wiederholen seiner Form nach aussehen könnte, erfahren Sie hier.
Andreas Jakubietz ist Rechtsanwalt in Berlin. Er ist als Fachanwalt für Verwaltungsrecht im Bereich Bildungsrecht, insbesondere auf dem Gebiet des Schulrechts und des Hochschulzulassungsrechts tätig. Der Jurist ist Vater einer Tochter und lebt in Zehlendorf.
Seine Beiträge sind als allgemeine Information zu verstehen, die eine Rechtsberatung nicht ersetzen. Im Einzelfall empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt für Schulrecht zu konsultieren.
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