Kita- und Schulfördervereine: Wer wirklich etwas bewegen will, muss raus aus der Wohlfühlfalle

01. Sep 2014

Daniela von Treuenfels
Kita- und Schulfördervereine: Wer wirklich etwas bewegen will, muss raus aus der Wohlfühlfalle

Kuchen backen, Kita- und Schulhöfe sanieren, Wasserspender anschaffen, Feste organisieren, Wände streichen, Brandschutzmaßnahmen finanzieren, Homepages betreuen, Ausflüge begleiten, Bibliotheken bestücken und betreiben – hunderttausende Ehrenamtliche sorgen für die Verbesserung von Kitas und Schulen. Das ist gut und richtig und eine echte Bereicherung für die Kinder. Mit Beteiligung, Gestalten und Mitwirkung hat das jedoch meistens wenig zu tun.

Bildungspolitik ist ein hartes Pflaster. Die jeweiligen Landesministerien verwalten die größten Etats, ohne dass dem Thema Bildung Priorität eingeräumt würde. Die Mängel sind offenkundig, die Ressourcen knapp. Die Zustände an Kitas und Schulen sind teilweise haarsträubend: Dächer sind undicht, Fenster bröseln vor sich hin, Sporthallen sind unbenutzbar, von den Fassaden bröckelt der Putz. Lehrkräfte- und Erziehermangel ist ein nahezu bundesweites Thema. Niemand weiß, wie mit den Herausforderungen der Inklusion oder des digitalen Lernens umzugehen ist. Für Investitionen und Innovationen fehlt schlicht das Geld.

Das Staatsversagen ist offensichtlich und umfassend. Trotzdem bleibt der Aufstand von Eltern, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern ungehört. Lehrkräfte kämpfen, wenn überhaupt, für ihre eigenen Interessen – weniger Unterrichtsstunden, höhere Bezahlung, weniger Bürokratie. Eltern backen Kuchen, um ihn dann auf einem Kita- oder Schulfest wieder zurückzukaufen. Das ist, als würde man in einen Kreis sitzen und jeweils sich selbst und der Nachbarin in den Geldbeutel greifen. Das nennt sich dann Spendensammeln – für Spielgeräte, Unterrichtsmaterial, Wandfarbe, die Liste der benötigten Dinge ist schier endlos.

Zu oft kommen werden Kinder kommen in bildungspolitischen Debatten nur als Opfer vor, als arme kleine Menschen, die auf stinkende Toiletten gehen müssen, in vergammelten Räumen lernen und überforderten Lehrkräften gegenübersitzen. Zu selten werden sie auf konstruktive Weise in die Diskussionen einbezogen oder wird gemeinsam überlegt, wie Einrichtungen in ihrem Interesse gestaltet werden können. Ihre Meinung ist wenig gefragt, und es ist erstaunlich, wie wenig sich Kinder und Jugendliche in schulische Belange einmischen und ihre Interessen durchsetzen wollen. In Fördervereinen – Plattformen, die Veränderungen möglich machen können – sind sie so gut wie nicht präsent.

Es geht auch anders

Man stelle sich vor, aus dem Gejammer über das angeblich schreckliche Turbo-Abi würde folgende Idee geboren: Engagierte Menschen an einem Gymnasium setzen sich zusammen und entwerfen diesen Plan: Alle Kinder der Schule bleiben in der 10. Klasse entweder sitzen oder treten freiwillig zurück – und das in jedem Jahrgang! In Klasse 10.2 gibt es dann für alle „armen Wiederholerklassen“ ganz besondere Angebote: Musicals, Ideenumsetzung, Reisen, Workshops, Uni-Vorlesungen. So soll die Freude am Lernen (wieder-) geweckt werden. Schließlich sollen alle Schülerinnen und Schüler Abitur machen.

Es wäre die größtmögliche Provokation, und – viel besser – ein selbstbewusstes Statement der Menschen, die ihre Einrichtung am besten kennen: „Wir wissen, was wir brauchen. Wir wissen, was wir können. Wir wissen, was wir wollen, und so machen wir das jetzt.“ Getreu diesem Motto lässt sich jede Herausforderung meistern. Es gibt bereits eine Reihe von Fördervereinen, die das beispielhaft bewiesen haben. Seien es Konzepte zur Leseförderung, zum gesunden Lernen, zur kulturellen Bildung oder Ideen zur Überwindung von Schuldistanz. Aber Strategien, die langfristig und nachhaltig Veränderungen bewirken, gibt es noch zu wenige.

Echte Beteiligung und Mitgestaltung

Das Engagement der Aktiven in Schul- und Kitafördervereinen ist großartig und für die jeweiligen Standorte unverzichtbar. Jetzt muss der nächste Schritt folgen, dann wird aus Ehrenamt Beteiligung. Denn nur aus Aushandlungsprozessen aller Beteiligten vor Ort entstehen tiefgreifende und dauerhafte Veränderungen. Aus Selbstausbeutung wird ein Bündnis von Unterstützenden: Engagierte im Kiez, Unternehmen, Stiftungen, Vereine, öffentliche Einrichtungen und alle Interessierten des Bildungsstandortes.

Empörung ist ein guter Anfang. Nun gilt es, hieraus Ideen für Veränderung und Weiterentwicklung zu generieren und sie umzusetzen. Wenn sie sich bewährt haben, sind wieder die Verhandlungen mit Politik und Verwaltung auf der Tagesordnung. Was erfolgreich Bildung und damit Chancen für Kinder verbessert, braucht eine staatliche Regelfinanzierung. Bildung ist ein Grundrecht und kostenfrei – das soll so bleiben! Zivilgesellschaft kann Impulsgeberin sein, darf aber keinesfalls aus der Not heraus dazu gezwungen werden, langfristig staatliche Aufgaben übernehmen zu müssen.

Nachhaltige Veränderung erreichen

Wenn die Unterfinanzierung des deutschen Bildungswesens weiter akzeptiert wird und das Engagement sich bei Kuchenverkauf und Spendenlauf verausgabt, ohne nachhaltige Veränderungen an der Gesamtsituation zu bewirken, wird Ehrenamt zu Ausbeutung und Engagement zur Worthülse. Freiwillig ist dann nicht freiwillig, sondern bleibt Notwehr.

„Zivilgesellschaftliches Engagement in der Bildung“ gehört auf die bildungspolitische Agenda, um die längst überfällige Sichtbarkeit und Stärkung dieses Engagements zu gewährleisten. Es geht um Mitsprache, um einen klaren Machtanspruch aller am Bildungsstandort Beteiligten: Pädagoginnen, Eltern und vor allen Dingen die Kinder und Jugendlichen selbst, die ihren Bildungsstandort gestalten wollen.

Das zivilgesellschaftliche Engagement in den Fördervereinen von Kita und Schule steht für Vielfalt und Partizipation. Dieses Engagement hat den Landesverband Schulischer Fördervereine Berlin-Brandenburg e.V. (lsfb) vor zehn Jahren ins Leben gerufen, dem mittlerweile 600 Kita- und Schulfördervereine angehören. Jüngst haben die Verbände dieser Fördervereine die Spendenorganisation Stiftung Bildung errichtet, um bundesweit Partizipation und Vielfalt in der Bildung zu stärken, denn: Bildung ist bunt!

Daniela von Treuenfels ist ehrenamtliche Pressesprecherin des Landesverbandes schulischer Fördervereine Berlin-Brandenburg e.V. Außerdem arbeitet sie als geschäftsführendes Vorstandsmitglied in der Stiftung Bildung, die sich für die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements in Kitas und Schulen einsetzt.
Der Text erschien zuerst im Paritätischen Rundbrief August/Sepember 2014 mit dem Themenschwerpunkt Ehrenamt.

www.lsfb.de
www.stiftungbildung.com

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