Abi 2020: Humboldt Gemeinschaftsschule ist Spitze

16. Jul 2020

Daniela von Treuenfels
Abi 2020: Humboldt Gemeinschaftsschule ist Spitze

Abitur 2020: Die Abschlussnoten sind im Jahr 1 der Corona-Pandemie besser als in den vergangenen Jahren. Besonders bemerkenswert: An der Spitze aller staatlichen Schulen liegt eine Gemeinschaftsschule. Deren Evaluation legt nahe: nachhaltige Lernformen und ein gutes Schulklima führen zu guten Abschlüssen.

Berliner Schülerinnen und Schüler erreichten erstmalig einen Abiturdurchschnitt von 2,3 (2010-2019: 2,4). Frauen schnitten wie in den vergangenen Jahren mit einem Durchschnitt von 2,27 etwas besser ab als Männer (2,42). Die Bestehensquote der Schülerinnen und Schüler, die nicht Deutsch als Herkunftssprache oder Familiensprache angegeben haben, liegt in diesem Jahr bei 94,1 %., 1,3 Prozentpunkte mehr als im letzten Jahr.

Gesteigert hat sich ebenfalls der Anteil der Besten, wie die Bildungsverwaltung weiter mitteilte: Die Traumnote 1,0 erreichten in diesem Jahr 2,5 Prozent der insgesamt rund 14.000 Abiturientinnen und Abiturienten (2019: 2,1 %), die Abiturdurchschnittsnote 1,1 wurde von 1,6 Prozent der Absolventinnen und Absolventen erzielt (2019: 1,2 %). Das beste Abitur wurde in diesem Jahr mit 892 Punkten abgelegt.

Die Senatsverwaltung, die sonst nicht viel von Rankings hält, veröffentlicht die Abiturdaten jedes Jahr. Die anderen Schulabschlüsse der allgemeinbildenden Schulen, MSA und BBR scheinen weniger wichtig - zu Noten, Absolventen und Ergebnissen einzelner Schulen gibt es keine Mitteilung, Vergleiche schon gar nicht. Was daran liegen mag, dass die Entwicklung der Abschlüsse an den Sekundarschulen Anlass zur Sorge gibt. Aber auch die gesellschaftliche Geringschätzung der Abschlüsse „unterhalb“ des Abiturs spielt sicherlich eine Rolle – während Abiturienten in Extrabeilagen der Tageszeitungen gefeiert werden, sind Abgänger mit MSA oder BBR keiner Rede wert.

Die Listen unterscheiden sich von Jahr zu Jahr nur wenig. Es gibt Schulen, die sind quasi „gesetzt“, andere sind mal dabei und mal wieder nicht. Gymnasien und Sekundarschulen in schwierigen sozialen Lagen sind praktisch nicht unter den Top 15.

Dass die Schüler der jungen Schulform Gemeinschaftsschule in diesem Jahr die besten Ergebnisse unter den staatlichen Schulen einfahren, ist daher wirklich bemerkenswert. Der Jahrgang 2020 war der zweite Abiturjahrgang der Wilhelm von Humboldt-Schule. Die Schüler der gebundenen Ganztagsschule kennen Noten erst seit der 9. Klasse. Die Einrichtung in Pankow mit einer überwiegend bildungsorientierten Elternschaft gründete sich 2008 und erhielt 2014 einen überragenden Bericht der Schulinspektion. Darin wurde besonders die Rolle der Schulleiterin Judith-Maria Bauch hervorgehoben: „Die Schulleiterin hat das gesamte Personal und die Elternschaft von ihrer Vision einer "Schule für alle" überzeugt. Es ist ihr gelungen, über die Jahre der inhaltlichen und organisatorischen Gestaltung und Ausrichtung der Schule, aber auch der permanenten Bautätigkeit, das Engagement aller Beteiligten auf hohem Niveau zu halten. In ihrem Führungsverhalten ist sie ausgesprochen anerkannt. Lehrkräfte, Schüler- und Elternschaft heben ihre Gesprächsbereitschaft hervor. Das pädagogische Personal schätzt ihren unermüdlichen Einsatz und die Wertschätzung, die sie allen entgegenbringt. Sie ist eine offene, direkte Gesprächspartnerin, die auch Kritik annehmen kann.“

Die Entwicklung einer gymnasialen Oberstufe war da noch Zukunftsmusik, und wie der „Schulversuch Gemeinschaftsschule“ evaluiert (und danach für gut befunden) wurde, wird auch die Oberstufe der Humboldt-Schule seit dem Schuljahr 2016/17 wissenschaftlich begleitet. Das Besondere: In Klasse 11 bis 13 kooperiert die Gemeinschaftsschule mit dem Oberstufenzentrum Elinor Ostrom, einem Berufsschulzentrum mit dem Schwerpunkt Bürowirtschaft und Dienstleistung. In den Oberstufenklassen werden Jugendliche aus verschiedenen Schulen und Schulformen zum Abitur geführt.

Die Schüler haben die Wahl zwischen vier Profilen, zwischen denen sie sich am Ende der 11. Klasse entscheiden müssen. Es gibt zwei allgemeinbildende und zwei berufsbildende Profile. Das Lernen ist, so beschreibt es der Evaluationsbericht, individualisiert und fächerübergreifend. Die Instrumente heißen: „Advance Organizer / Lernlandkarten, Fächerübergreifende Projektpläne, Kann-Listen, Punktekonten, Sandwichhäuser / Lernweglisten, Portfolios, Reflexionsbögen, Zielplanungen, Arbeitsprotokolle, Hilfekarten“.

Das kennt nicht jeder, und auch die Jugendlichen, die nicht in der Gemeinschaftsschule gelernt hatten, mussten erst mit diesen Unterrichtsmethoden vertraut werden. Gerade des pädagogischen Konzeptes wegen waren sie gekommen, und weil sie ihre frühere Penne satt hatten – oder wie es die Forscher formulieren: „vor dem Hintergrund ihrer rückblickend kritisch eingeschätzten Erfahrungen an den Herkunftsschulen“.

Insgesamt bescheinigen die Wissenschaftler dem Projekt „OHO – Ostrom Humboldt Oberstufe“ einen guten Erfolg. Vor allem „stellen die Schüler dem Schulklima und den sozialen Beziehungen ein brillantes Zeugnis aus“, heißt es in ihrem Bericht. Doch natürlich identifizieren die Forscher auch Baustellen und Entwicklungsbedarf, und sie dokumentieren unterschiedliche Bewertungen und Meinungen. Zur Schwäche der Dokumentation gehört die Unterscheidung in nur zwei Befragtengruppen: Lehrer und Schüler. Wie die Abiturergebnisse nahelegen, wäre mehr Differenzierung nötig gewesen:

Es gibt nämlich zum einen die Schüler der Gemeinschaftsschule und „die anderen“. Die Oberschüler tauchen mit ihren Ergebnissen in zwei Statistiken auf – und das ist spannend. Die 22 Humboldt-Schüler haben einen Notendurchschnitt von 1,66, während die 45 weiteren Absolventen in der Ostrom-Statistik mit immernoch sehr beachtlichen 2,26 Notenpunkten und einem 2. Platz im OSZ-Ranking dahinter zurückbleiben.

Beide Schülergruppen durften in einem überragend guten Schulklima lernen, was die insgesamt guten Ergebnisse teilweise erklären kann. Da aber die Schüler (und Lehrer) nicht getrennt nach Herkunftsschulen befragt wurden, bleibt eine Hypothese: Selbstorganisiertes Lernen ist eine Kultur, die nicht im Rahmen einer Einführungsphase, also in der 11. Klasse, mal eben auftrainiert werden kann. Der Erfolg der Humboldt-Schüler geht vielmehr zurück auf ihre Grundschulzeit:

Auszug aus dem Bericht der Schulinspektion von 2014:

Der Unterricht ist von einem durchgängig positiven Blick auf die Schülerinnen und Schüler und ihren Lernfortschritt geprägt. Vor allem durch die deutliche Wertschätzung des von den Kindern Erreichten ist die Lernfreude überwiegend hoch. Das Prinzip des jahrgangsübergreifenden Lernens erweist sich an der Wilhelm-von-Humboldt-Schule als besonders durchlässig. Dass Kinder zu unterschiedlichen Jahrgangsstufen gehören, ist während des Unterrichts kaum erkennbar.
Es gehört zum Selbstverständnis der Schule, die Besonderheiten aller Kinder anzunehmen und diese als Ansatz zur Förderung zu nutzen. Die Lernenden finden in jedem Klassenraum eine vorbereitete Lernumgebung vor, d.h. sie haben Zugriff auf unterschiedliche Materialien, die zu dem gerade von ihnen bearbeiteten Thema gehören, sodass sich die Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrem Lerntyp und ihren Neigungen Lerninhalte aneignen können.
Übergreifende Schwerpunktsetzung ist das selbständige Lernen. Andere fachübergreifende Abstimmungen, wie zur Schülerarbeit im Team, Präsentations- oder Arbeitstechniken liegen ausschließlich projektbezogen vor.
Im Abschlusskreis am Nachmittag reflektieren die Schülerinnen und Schüler ihre Lernprozesse. Sie schätzen selbst ein, ob und in welcher Qualität sie ihr Tagesziel erreicht haben. Sie analysieren, welche Lerninhalte noch vertieft werden müssen und äußern in der Lerngruppe, wie zufrieden sie mit ihren Ergebnissen sind und was sie noch besser machen können. Das eigenverantwortliche und handlungsorientierte Lernen, ergänzt mit der Forderung über die eigene Arbeit nachdenken zu müssen, ermöglicht ein nachhaltiges Lernen. Dies heben die Eltern als besonders großen Wert hervor.

Eine Traumschule.

Eine Garantie für gelingendes Lernen ist eine bestimmte Schulform nicht. Dass es vor allem auf die Leitung des Hauses ankommt, ist unter Schulpraktikern und Bildungsforschern unumstritten. Dennoch erleben die Gemeinschaftsschulen in Berlin einen Boom. Wie das „Elternnetzwerk Berliner Gemeinschaftsschulen“ mitteilt, stehen in verschiedenen Bezirken Neugründungen an.

Friedrichshain-Kreuzberg

Die Emanuel-Lasker-Schule (bisher ISS mit gymn. Oberstufe) wird in eine Gemeinschaftsschule (GemS) umgewandelt. Der Grundschulneubau auf dem Grundstück der Schule wird ihr als Primarstufe zugeordnet.
Die Lina-Morgenstern-Schule, die bereits seit vielen Jahren eine GemS ist, allerdings bisher nur über eine Sek I verfügt, wird durch Fusion mit der benachbarten Lenau-Grundschule und durch den Aufbau einer gymnasialen Oberstufe zum kommenden Schuljahr zu einer GemS von 1-13. Die gymnasiale Oberstufe wird im Verbund mit der nicht weit entfernt gelegenen Ferdinand-Freiligrath-Schule (ISS) geführt.
Neben der Carl-von-Ossietzky GemS hat der Bezirk zum kommenden Schuljahr dann drei GemS von 1-13. Vier weitere GemS sind nach Auskunft des Bezirksamtes sehr konkret in der Planung, drei weitere Standorte werden für GemS geprüft.

Pankow

Bezirksschulstadtrat Dr. Torsten Kühne (CDU) hat alle acht potentiellen Doppelstandorte für Schulneubauten der Senatsbildungsverwaltung als Gemeinschaftsschule angemeldet. Voraussetzung ist ein Grundstück von mindestens 2,5 ha.
Derzeit sind folgende acht Doppelstandorte für GemS angemeldet: Pankower Tor, Gelände ehemaliges Kinderkrankenhaus Weißensee, Heinersdorfer Straße 22, Blankenburger Süden, Buch Süd, Karow Süd, Michelangelostraße, Greifswalder Straße.

Treptow-Köpenick

Hier sind zwei GemS in Planung und von der BVV beschlossen: Eine neu zu errichtenden GemS in Johannisthal in der Nähe des ehemaligen Flugfeldes und eine GemS am S Bahnhof Köpenick.

In Tempelhof

soll die Johanna-Eck-Schule (ISS) zur Gemeinschaftsschule ausgebaut werden.

Die besten Abiturdurchschnitte nach Schultypen:

(Name der Schule, Notenschnitt, bestandene Prüfungen)

Berufliche Gymnasien

1. Staatliche Ballettschule Berlin und Schule für Artistik 1,94 (13)
2. Elinor-Ostrom-Schule (OSZ Bürowirtschaft und Dienstl.) 2,26 (45)
3. Max-Bill-Schule (OSZ Planen, Bauen, Gestalten) 2,39 (110)
4. Emil-Fischer-Schule (OSZ Ernährung u. Lebensmitteltechn.) 2,39 (67)
5. Rahel-Hirsch-Schule (OSZ Gesundheit, Medizin) 2,43 (95)
6. Jane-Adams-Schule (OSZ Sozialwesen) 2,48 (101)
7. Anna-Freud-Schule (OSZ Sozialwesen) 2,51 (102)
8. OSZ Handel 1 2,58 (22)
9. OSZ Informations- und Medizintechnik 2,61 (41)
10. OSZ Banken, Immobilien und Versicherungen 2,62 (43)
11. Max-Traut-Schule (OSZ Gebäude-Umwelt-Technik 2,67 (32)
12. Brillat-Savarin-Schule (OSZ Gastgewerbe) 2,68 (12)
13. Lise-Meitner-Schule (OSZ Chemie, Physik und Biologie) 2,68 (72)
14. OSZ Kommunikations- Informations- und Medizintechnik 2,74 (31)
15. Wilhelm-Ostwald-Schule (OSZ Gestaltung) 2,76 (20)

Gymnasien

1. Georg-Friedrich-Händel-Gymnasium 1,67 (69)
2. Rosa-Luxemburg-Gymnasium 1,73 (144)
3. Heinrich-Hertz-Gymnasium 1,76 (61)
4. Werner-von-Siemens-Gymnasium 1,78 (115)
5. Käthe-Kollwitz-Gymnasium 1,87 (92)
6. Otto-Nagel-Gymnasium 1,88 (110)
7. Heinz-Berggruen-Gymnasium 1,92 (118)
8. Arndt-Gymnasium Dahlem 1,93 (80)
9. Paul-Natorp-Gymnasium 1,98 (135)
10. Gymnasium Steglitz 1,99 (84)
11. Beethoven-Gymnasium 2,01 (138)
12. Herder-Gymnasium 2,02 (52)
13. Humboldt-Gymnasium 2,08 (146)
14. Archenhold-Gymnasium 2,09 (95)
15. Gerhart-Hauptmann-Gymnasium 2,09 (76)

Integrierte Sekundarschulen/Gemeinschaftsschulen

1. Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule 1,66 (22)
2. Nelson-Mandela-Schule 1,80 (70)
3. Flatow-Oberschule 2,21 (22)
4. Sophie-Scholl-Schule 2,25 (122)
5. Kurt-Schwitters-Schule 2,31 (89)
6. Sportschule im Olympiapark – Poelchau-Schule 2,33 (46)
7. Gustav-Heinemann-Oberschule 2,33 (131)
8. Paula-Fürst-Schule (Gemeinschaftsschule) 2,37 (44)
9. Merian-Schule (ISS) 2,39 (103)
10. Schul- und Leistungssportzentrum Berlin (Sportforum) 2,41 (81)
11. Martin-Buber-Oberschule (ISS) 2,44 (126)
12. Friedensburg-Schule 2,48 (105)
13. Kurt-Tucholsky-Schule (ISS) 2,48 (105)
14. Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule 2,49 (43)
15. Robert-Jungk-Schule 2,50 (79)

Schulen in freier Trägerschaft

1. Evangelische Schule Frohnau 1,62 (52)
2. Berlin Bilingual Secondary School 1,68 (5)
3. Canisius-Kolleg (Gymnasium) 1,75 (101)
4. Evangelisches Gymnasium zum Grauen Kloster 1,75 (81)
5. Jüdische Traditionsschule 1,77 (9)
6. Katholische Theresienschule (Gymnasium) 1,79 (69)
7. Evangelische Schule Köpenick 1,87 (65)
8. Katholische Schule Salvator 1,98 (84)
9. Bilinguale Schule Phorms Berlin Mitte 2,00 (22)
10. Moser-Schule – Schweizer Gymnasium 2,00 (35)
11. Bilinguale Schule Phorms Berlin Süd 2,09 (19)
12. Königin-Luise-Stiftung (Gymnasium/ISS) 2,18 (70)
13. Katholische Schule Liebfrauen (Gymnasium) 2,26 (92)
14. Evangelische Schule Neukölln (ISS) 2,32 (48)
15. SchuleEins (Gemeinschaftsschule) 2,33 (6)

Bildung

Bildungspolitik - was Parteien, Organisationen, wissenschaftliche Einrichtungen zum Thema Schule und frühkindliche Bildung sagen.

Schule - Infos, Ideen, Akteure.

Darf das so sein? Warum geht das nicht? Wie ist das geregelt? Unsere Kolumnisten klären Schulrechtsfragen: Schulrechtsanwalt Andreas Jakubietz stellt Fallbeispiele aus seiner beruflichen Praxis vor. Die langjährigen Elternvertreter Constantin Saß und Ruby Mattig-Krone beantworten Elternfragen.

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