Fridays: LEA stärkt demonstrierenden Jugendlichen den Rücken

25. Mär 2019

Daniela von Treuenfels

Seit mehr als drei Monaten geht ein Teil der Berliner Schülerinnen und Schüler freitags zur Demo statt in die Schule. Nun kommt auch vom Landeselternausschuss ein „Daumen hoch“. Am Freitag ist Greta Thunberg in der Stadt und wird die Proteste der Berliner Jugendlichen unterstützen.

Berlin ist das erste und bisher einzige Bundesland, dessen Landeselternvertretung sich klar auf die Seite der streikenden Schüler stellt, betont LEA-Vorsitzender Norman Heise. „Wir Eltern fordern statt Sanktionierung unserer Kinder, diese pädagogisch zu begleiten und das Thema im Unterricht tagesaktuell zu behandeln“, heißt es in einem Beschluss des Gremiums vom 22. März.

Die Schülerinnen und Schüler könnten sich mit ihren Aktionen dabei auf das Berliner Schulgesetz, insbesondere auf §1 und §3 beziehen, sagen die Eltern. Dort heißt es: „Auftrag der Schule ist es, alle wertvollen Anlagen der Schülerinnen und Schüler zur vollen Entfaltung zu bringen und ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründliches Wissen und Können zu vermitteln. Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, … das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie … und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten.“ Im Weiteren legt § 3 des Schulgesetzes fest: Schüler sollen befähigt werden, die „Zukunft der Gesellschaft mitzuformen“, „aktives soziales Handeln zu entwickeln“, „eine eigenständige Meinung zu vertreten“, „aufrichtig und selbstkritisch zu sein und das als richtig und notwendig Erkannte selbstbewusst zu tun“, „Eigeninitiative zu entwickeln“, und:

„die Auswirkungen des eigenen und gesellschaftlichen Handelns auf die natürlichen lokalen und globalen Lebensgrundlagen zu erkennen, für ihren Schutz Mitverantwortung zu übernehmen und sie für die folgenden Generationen zu erhalten“.

„Wir sehen es als Aufgabe der Schule, die Impulse der streikenden Schüler aufzunehmen“, so Norman Heise. Diskussionen um die Schulpflicht seien hier nicht zielführend, auf diesen Punkt habe das Gremium bewusst verzichtet. Gefordert wurde stattdessen, „das Querschnittsthema "Bildung nachhaltiger Entwicklung/Lernen in globalen Zusammenhängen" stärker in diesem Zusammenhang zu betrachten“.

Initiator des Beschlussantrages war der Bezirkselternausschuss Pankow. Typisch für das gutbürgerliche liberal-grüne bildungsorientierte Klientel? Wäre so eine Initiative auch aus dem eher konservativen Steglitz-Zehlendorf möglich gewesen? Oder aus dem weniger engagementgetriebenen Marzahn-Hellersdorf? Norman Heise verneint alle diese vorurteilsbeladenen Fragen und verweist auf die breite Zustimmung. „Der Antrag mit einer Mehrheit von 15 Stimmen bei drei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen angenommen.“ Auch das Klischee vom demokratiedefizitären Osten wischt er mit dem Hinweis auf den BEA Lichtenberg beiseite – die Eltern in diesem Gremium sind bekannt für ihre Streitlust und öffentlichkeitswirksame Aktionen.

Dabei gibt es neuere Studien, die den Griff in die gute alte Klischeekiste rechtfertigen. Für den Spiegel fand das Meinungsinstitut Civey heraus, dass die Unterstützung der Fridays for Future – Demonstrationen je nach Alter, Parteipräferenz und Wohnort unterschiedlich ist: je älter die Befragten, desto ablehnender. Je grüner, desto unterstützender. Und: „In den Altbundesländern liegen die Befürworter mit 54 Prozent klar vor den Gegnern (40 Prozent). In den neuen Bundesländern ist es genau umgekehrt: Hier dominiert die Ablehnung der Schülerproteste mit 51 zu 41 Prozent.“

Dass die westlichen Bundesländer in Sachen Demokratie und Partizipation anders ticken als die Bundesländer der ehemaligen DDR zeigt auch eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung. Trotz eines nahezu identischen politischen Interesses gibt es demnach Unterschiede beim politischen Selbstbewusstsein: Jeder Zweite im Osten gibt an, sich die aktive Teilnahme an politischen Gesprächen nicht zuzutrauen, im Westen immerhin noch 42 Prozent – eine Herausforderung für Bildungseinrichtungen, Parteien und Zivilgesellschaft.

Ein weiteres spannendes Detail der Studie ist die Übereinstimmung zur Frage nach der Bekämpfung des Klimawandels. „Der Klimawandel muss stärker bekämpft werden, auch wenn es dem Wirtschaftswachstum schadet“ – dieser These stimmten in Ost und West 79 % der befragten 18 bis 29jährigen zu. 19 % (West) bzw. 18 % (Ost) stimmten der Aussage nicht zu. Nur jeweils 4 % stimmten dem „überhaupt nicht“ zu.

Die junge Generation ist sich also sehr einig. Ihrem Aufbegehren stehen die Älteren erstaunlich hilflos gegenüber. Die Kanzlerin freut sich über den „Rückhalt“, und versteht nicht, dass sie eine der Adressatinnen der Schülerstreiks ist. 23.000 Scientists for Future haben eine Stellungnahme unterschrieben, die die Forderungen der Protestierenden unterstreicht – das sind 23.000 Wissenschaftler, deren Expertise bisher kein Gehör gefunden hat, und die jetzt davon profitieren, dass Kinder ihre Themen auf die Straße tragen.

Lernen in der Schule, sagt sinngemäß Lehrerverbandspräsident Hans-Peter Meidinger, ist das was im Stundenplan steht. Er fragt sich: „Wie sollen Schulen verfahren, wenn demnächst der Montagvormittag zum Aktionstag gegen die drohende weltweite Aufrüstung erklärt wird oder Schüler beantragen, zur „Legalize Cannabis“-Demo gehen zu dürfen bzw. Eltern ihre Sprösslinge für einen Protest gegen das örtliche Ankerzentrum befreien wollen?“

Meidinger ist in diesem Drama mit dem Titel „Schulstreik für das Klima“, ersonnen von der „Autorin“ Greta Thunberg“, der Kämpfer für die Schulpflicht. Eine ungemein wichtige Rolle, schließlich ist die Schulpflicht ein hohes Gut, eine bildungspolitische Errungenschaft und nicht irgendein Firlefanz. Dass der bayerische Schulleiter sich für Sanktionen gegen Streikende und deren Eltern ausspricht, ist nur konsequent.

Dass die Jugendlichen sich davon beeindrucken lassen, ist unwahrscheinlich. Aber die schwankenden Teilnehmerzahlen beispielsweise der Berliner Demos lassen darauf schließen, dass sie versuchen eine Balance zu finden zwischen ihrem Engagement und der Verantwortung für ihren Schulerfolg. Kamen vor zwei Wochen über 20.000 Jugendliche, waren es eine Woche später rund 1000. Beginn der Veranstaltung war um 12 Uhr, genug Zeit also, vorher 4 Unterrichtsstunden in der Schule anwesend zu sein.

Am Freitag könnten es wieder mehr Demonstranten sein, denn Greta Thunberg hat sich angekündigt. Die Schwedin wird in Berlin mit der Goldenen Kamera geehrt, zuvor wird sie am Protestzug der Berliner Schüler teilnehmen. Beginn ist um 10 Uhr am Invalidenpark.

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